Wusstet du, dass Angst eine von 7 Basisemotionen ist, die wir Menschen haben können? Das bedeutet, Angst ist etwas ganz Grundlegendes, etwas zutiefst Elementares, etwas, an dem kein Mensch vorbeikommt, egal wie stark oder tough wir sind. Angst beim Reiten aber…das kann wie ein oller Stempel sein, ein Makel, der dir anhaftet. Viele Reiter, die unter Angst leiden, kommen nämlich an einen Punkt, an dem Angst nicht mehr nur ein Gefühl oder eine Emotion ist, sondern auch eine Art Urteil über sich selbst. Du sagst dir dann innerlich nicht: „Ich habe Angst.“ Sondern: „Ich bin jemand, der ängstlich ist.“ Und das ist ein gewaltiger Unterschied.
Wenn sich dieses Urteil erst einmal in dir eingenistet hat, dann beginnt etwas, was meist viel länger weh tut als jede konkrete Situation im Sattel: Du stellst dich selbst infrage.
Nicht deinen Sitz, deine Technik, deine Erfahrung. Naja…vielleicht auch sie…Aber dich insbesondere. Als Person, als Reiter(in). Als Mensch, der eigentlich dachte, er hätte etwas im Griff, könne etwas, wäre etwas.
Wir schämen uns, weil wir Angst haben…
Und genau an diesem Punkt beginnt die Scham.
Scham ist ein schleichender, unauffälliger Prozess. Sie zeigt sich eher nicht in Tränen oder großer Verzweiflung, sondern tief drinnen in den ganz kleinen Dingen: Dass du Ausreden findest, warum du heute nicht reitest, ist ja schon ganz schön voll am Stall. Oder dass du lieber gar nicht trainierst, wenn jemand anderes zuguckt. Dass du lächelst und sagst „ich arbeite gerade am Boden, das tut uns gut“ – obwohl du weißt, dass es nur die halbe Wahrheit ist. Dass du Gespräche im Stall meidest, wenn jemand fragt: „Na, wie läuft’s?“
Scham sitzt vielleicht leise im Hinterkopf, aber kann sehr toxisch sein. Sie nagt heimlich und verborgen an deinem Selbstvertrauen und an der Freude, die du mal empfunden hast, wenn du an dein Pferd dachtest – bevor die Angst im Sattel da war.
Reiten ist mehr als ein Hobby
Reiten ist nicht irgendein Hobby – es ist für die allermeisten Reiter etwas, womit wir uns stark identifizieren und worüber wir uns auch definieren. Denn wir sind stolz darauf und wissen: nicht jeder ist fähig, ein Reiter zu sein. Es erfordert besonders komplexe Skills, die uns Reiter ja auch so speziell machen. Reiten spiegelt unsere innere Stärke, unsere Lebenslust und unsere Wildheit. Überleg mal, was für eine krasse Fähigkeit, ein 600-Kilo-Lebewesen zu führen und fröhlich jauchzend im Sattel zu sitzen, während es mit 30 oder 40 Stundenkilometern durch die Natur donnert. Ich spüre die freudige Aufregung sogar, während ich das schreibe.
Viele Reiter haben schon als Kinder angefangen, ihrer großen Leidenschaft nachzugehen, und kennen dieses freudige, erhebende Gefühl, auf dem Pferderücken unterwegs zu sein. Wenn dann plötzlich Angst im Sattel oder im Umgang mit dem Pferd auftaucht, dann fühlt es sich nicht an wie ein neutrales Ereignis, wo man Angst hatte. Es fühlt sich an wie ein einschneidender Moment, wo plötzlich etwas kaputt ist – und oft suchen und finden wir auch einen Beweis dafür, dass etwas mit uns nicht stimmt.
Warum Angst sich schnell wie persönliches Versagen anfühlt
Du bekommst dann fiese Gedanken über dich und deine Angst. Dass du nicht gut genug bist. Nicht mutig genug, nicht stabil genug. Dass andere „es können“ – und du nicht. Dass du ein schlechter Reiter bist, ein Versager als Pferdemensch. Vielleicht sogar, dass du besser aufhören und dein Pferd verkaufen solltest. Und es ist fast unmöglich, dich davon zu lösen, wenn du gleichzeitig in einem Umfeld bist, in dem Sätze fallen wie:
- „Du musst dich nur trauen.“
- „Da musst du jetzt durch.“
- „Stell dich nicht so an.“
- „Das Pferd merkt das!“
Ja. Das Pferd merkt etwas. Aber nicht das, was man dir weismachen will. Es merkt nicht „du hast es nicht im Griff, du reitest schlecht“. Sondern es merkt Anspannung, Überforderung, Überlebensmodus, und wird davon angesteckt und bekommt selbst Angst. Alle diese Aussagen sind Mythen, die hartnäckig immer weiter kursieren – nicht nur in Reiterkreisen. Vielleicht ist dein Umfeld auch total verständnisvoll, doch trotzdem sind da all diese fiesen Sätze in deinem Kopf verankert.
Angst = albern?
Aber schauen wir mal genauer hin: Angst, Anspannung, Stress, Überforderung – das ist doch eigentlich gar nichts Besonderes. Es ist etwas, das jeder Mensch kennt, das nur nicht jeder im Sattel erlebt, weil nicht jeder ein Reiter ist – aber jeder kennt es. Andere erleben es einfach im Alltag, im Beruf, in der Familie. Also ist es doch völlig absurd zu glauben, dass wir unnormal sind, nur weil wir Angst haben.
Genau das tun wir aber, weil Angst oft mit Schwäche gleichgesetzt wird – und wir wollen nicht schwach sein. Wir versuchen, die guten Ratschläge und Meinungen von außen, die wir so sehr verinnerlicht haben, anzuwenden. Und während du hörst: „Na komm schon, du musst dich jetzt einfach mal zusammenreißen“, merkst du, wie die Angst dadurch nicht kleiner, sondern größer wird. Denn der Druck steigt ja nicht nur außen – er steigt auch von innen, bis die Angstwelle dich fest im Griff hat.
Das Gedankenkarussell entsteht nicht aus Angst — sondern aus dem Versuch, sie zu verstecken
„Was, wenn ich wieder blockiere und abbrechen muss?“
„Was, wenn jemand sieht, dass ich Angst habe?“
„Was, wenn mein Pferd merkt, dass ich unsicher bin und es schlimmer wird?“
Diese Gedanken haben weniger mit echter Gefahr zu tun als mit dem Selbstbild, Glaubenssätzen und sozialen Zwängen. Du willst nicht feige sein. Nicht schwach. Nicht unfähig. Du willst nicht die sein, die „es wieder nicht kann“. Und genau aus diesem Wunsch heraus entsteht der Versuch, Kontrolle zurückholen zu wollen.
Du spannst dich an. Reißt dich zusammen. Fokussierst dich auf jeden kleinsten möglichen Fehler, um ihn ja nicht zu begehen. Du versuchst perfekt zu sein, weil du glaubst, dass nur Perfektion dich schützt.
Aber alle diese Strategien sind kein Schutz, im Gegenteil: Sie wirken als Verstärkung deiner Angst.
Je mehr du versuchst, alles richtig zu machen, desto weniger Raum bleibt, um zu fühlen, was du eigentlich brauchst und was dir tatsächlich helfen würde. Und damit passiert etwas Entscheidendes: du nimmst Angst nicht länger wahr als einen körperlichen, biologischen Mechanismus, sondern die Angst im Sattel und im Zusammensein mit deinem Pferd wird zu einem Identitätsproblem.
Reitunterricht gegen Angst?
Reitunterricht ist gemacht für Menschen, die handlungsfähig sind. Für Menschen, deren Nervensystem offen und entspannt ist. Wenn du aber mit Angst reitest, dann passiert etwas anderes: Dein Körper schaltet in einen Schutzmodus. Und in diesem Modus kann er nicht lernen oder locker und harmonisch mit dem Pferd mitschwingen. Auch wenn du noch so sehr willst, und dich noch so sehr bemühst. Und ja, auch dann, wenn du schon 10, 20 oder 40 Jahre Erfahrung als Reiter und Pferdemensch hast.
Was im Reitunterricht dann passiert, ist oft Folgendes: Du hörst, was du tun sollst. Du weißt sogar, dass es richtig wäre. Aber es gelingt dir nicht.
Und daraus wird in deinem Kopf:
„Ich scheitere.“
„Ich bekomme das nicht hin.“
„Andere können das, ich nicht.“
Aber die Wahrheit ist: Du bist nicht weniger fähig — du bist überfordert. Und Überforderung ist kein Charaktermerkmal. Es ist ein Nervensystem-Zustand. Und den kannst du beeinflussen lernen!
Genau das bringe ich meinen Teilnehmern im Coaching bei – und in meinem Onlinekurs „Deine Mutreise – raus aus der Angst beim Reiten und am Pferd“.
Wie Mut entsteht
Angst verschwindet nicht irgendwie, wenn man nur „mutig genug“ ist. Sie verschwindet dann, wenn der Körper wieder versteht, dass er nicht in Gefahr ist. Und das hat erstmal nichts mit Denken zu tun. Es beginnt an einem ganz anderen Ort: Dort, wo du lernst, die ersten kleinen feinen Signale zu sehen, bevor die Angstwelle richtig groß wird. Dass du bemerkst, wann du anfängst, dich innerlich festzuhalten. Und wo du lernst, wie du dich wieder beruhigen kannst, ohne dich gleich zu überfordern.
Und das ist der Punkt, an dem Mut von ganz alleine wieder möglich wird! Mut ist auch gar nicht so sehr die Abwesenheit von Angst, sondern Handlungsfähigkeit trotz Angst.
Er zeigt sich nicht darin, dass du „einfach was richtig machst“, sondern, dass du lernst, dir selbst wieder zu vertrauen: deinem Körper, deiner Wahrnehmung, deinen Fähigkeiten. Und damit nimmt auch die Erfahrung von Angst spürbar ab.
Dazu brauchst du keinen Trick, keine Affirmationen und nicht „die eine Übung“, sondern einen klaren Weg, der nicht nur deine Angst verändert — sondern auch, wie du dich selbst siehst, als Reiterin und Pferdemensch.
Wie Jenny ihren Mut wiederfand
So wie meine Kundin Jenny, die nach einigen Stürzen und Verletzungen große Angst vor dem Galopp und dem Ausreiten entwickelt hatte. Sie ist eine sehr kluge Frau und hat einen hohen Anspruch an sich als Pferdemensch und Reiterin – stresste sich jedoch auch damit, ohne es zu beabsichtigen.
Und sie ist gewiss nicht die einzige, der es so erging. Tatsächlich kommt das in der einen oder anderen Form fast immer vor, wenn jemand Angst beim Reiten hat! Denn wer hat schon das große Glück, in seinem Leben regelmäßig zu erfahren, dass Angst total normal und okay ist (und wie man mit ihr umgeht)? Oft wird man eher etwas schief angeguckt, belächelt, oder mit generischen Ratschlägen abgespeist, nach denen man sich noch schlechter fühlt, weil sie einfach nicht helfen. Sicher weißt du genau, wovon ich rede.
Jenny jedenfalls konnte im Coaching lernen, sich selbst zu beruhigen, anstatt sich noch mehr unter Stress zu setzen, und mittlerweile kann sie wieder mit ihrem Pferd die Natur auf gemeinsamen Ausritten genießen – auch im Galopp.
Wie geht es nun weiter?
Ich möchte dir auf jeden Fall Mut zusprechen: es muss nicht so bleiben, wie es jetzt ist. Jenny hat es geschafft. Andere haben es geschafft. Und auch du kannst es schaffen! Du kannst wieder Freude am Reiten haben und dich frei und unbeschwert im Sattel fühlen, auch wenn du jetzt noch Angst hast.
Dass du überhaupt Angst hast, liegt eben NICHT daran, dass du ein schlechter Reiter bist. Es liegt auch nicht daran, dass du am Ende deines Könnens bist, weil du nichts kannst. Und es liegt ganz sicher auch nicht daran, dass du zu schwach und zu unfähig bist! Angst gezielt abbauen ist ein Weg, den die allerwenigsten Menschen in ihrem Leben gelernt haben. Aber du kannst es jetzt lernen. Der Weg steht dir offen, wenn du ihn gehen willst, statt weiter von Angst beherrscht zu werden.
Wenn du das Gefühl hast, dass du in deiner Angst feststeckst und nicht weißt, wie du da wieder herauskommst — dann möchte ich dir zwei Möglichkeiten anbieten:
1. Einen schnellen 3-Minuten-Test, wie stark deine Angst dich eigentlich in deinem Reiterleben einschränkt, und welche ersten Schritte dir helfen könnten.
2. Meinen Onlinekurs-„Deine Mutreise – raus aus der Angst beim Reiten und am Pferd“, in dem du lernst, deine Angst zu verstehen, dich selbst zu beruhigen, die fiesen Gedanken zu entmachten und wieder handlungsfähig zu werden, statt der Angst zu erliegen.
Was macht dir bei deiner Angst im Sattel besonders zu schaffen? Erzähl es mir in dem Kommentaren!
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Kennst du eigentlich schon den vorigen Artikel aus dieser Serie? Dort ging es darum, was die Angst beim Reiten mit unserem Körper anstellt, warum du dich festmachst – und wie wir überhaupt wieder handlungsfähig werden können, wenn sie uns im Griff hat.
Im nächsten Artikel geht es darum, warum das Kopfkino im Sattel und das Gefühl von Kontrollverlust beim Reiten sich weder durch mehr Kontrolle über das Pferd noch über die Angst verbessern lässt – sondern durch etwas vollkommen anderes, was aber jeder lernen kann – auch du!
Wenn du willst, lies auch, wie ich als erfahrene Reiterin nach einer Pause plötzlich mit Angst im Sattel saß, so schlimm, dass ich für eine lange Zeit nicht mehr aufsteigen konnte – und wie ich die Angst wieder loswurde.
Und es geht nicht nur mir so: viele Reiter machen die Erfahrung, nach einem Sturz, als Wiedereinsteiger nach einer Pause oder als älterer Reiter plötzlich Angst und Unsicherheit beim Reiten zu entwickeln – aber die Ursache ist nicht das, was auf den ersten Blick offensichtlich erscheint.







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