Wenn Reiten nach einem Sturz, einer Pause oder mit zunehmendem Alter plötzlich Angst macht
In meiner Arbeit als Coach für Menschen, die an Angst beim Reiten leiden, erlebe ich dieses Phänomen immer wieder: Früher saßen sie sicher im Sattel und gingen ganz selbstverständlich mit dem Pferd um. Und nun, etwas älter, mit Kindern oder einfach so nach einer Reitpause als Wiedereinsteiger, finden sich viele Reiter plötzlich mit Angst im Sattel konfrontiert, was zuvor nie ein Thema war. Auch mir selbst ging es so, dass mich plötzlich die Angst beim Reiten kalt erwischte. Und dieses Gefühl ist fies, denn es kann nicht nur überraschend sein, sondern regelrecht niederschmetternd, wenn man plötzlich scheinbar nicht mehr reiten kann, und der Körper einfach in völligen Alarmzustand geht.
Es gibt im Leben viele Momente, die spürbar etwas verändern. Das können positive oder negative Erlebnisse sein. Das können Veränderungen sein, die unser Körper durchmacht, oder auch Veränderungen in unserem Leben und unserem Alltag. Schwangerschaften, Familienzuwachs, Umzüge, Jobwechsel. Es kann aber auch passieren, dass wir mit Unfällen, Verletzungen oder Erkrankungen zurechtkommen müssen. Oder mit Trennungen und Verlusten.
Warum du plötzlich Angst beim Reiten hast – auch wenn du früher sicher im Sattel warst
Egal, ob ein Ereignis positiv oder negativ war: was oft damit verbunden ist, sind große Umstellungen, Unsicherheiten und auch viel Stress. Oft bemerkt man die weiteren Auswirkungen solcher Umbrüche erst später, nämlich dann, wenn das vertraute Gefühl im Sattel nicht mehr ganz dasselbe ist.
Abseits davon werden wir stetig unmerklich älter. Unser Körper wird also mit jedem Tag ein klitzekleines bisschen weniger elastisch (zum Glück bemerken wir davon nichts). Und wir erleben jeden Tag viele winzig kleine Dinge, von denen wir wohl sagen würden, dass sie uns kaum beeinflussen. Aber wenn wir nach 10 Jahren zurückblicken, sind wir vollkommen andere Menschen geworden, weil sich all das nach der Zeit dann doch aufsummiert.
Früher war da Leichtigkeit im Sattel. Ein klares, geschmeidiges Körpergefühl. Eine innere Selbstverständlichkeit. Und irgendwann wirkt genau das brüchig: Bewegungen vom Pferd fühlen sich jetzt auf einmal größer an, Situationen sind vielleicht schwerer einzuschätzen, und die eigene Reaktion überrascht einen selbst.
Plötzlich Angst beim Reiten: warum der Körper nach einem Sturz anders reagiert
Dieses Empfinden ist jedoch kein Zeichen dafür, dass du plötzlich unfähig bist und nicht mehr reiten kannst. Es zeigt lediglich, dass sich etwas in dir verändert hat – und das ist genau genommen der Lauf der Dinge. Man macht sich nur vorher nie Gedanken darüber – und auch das ist ganz normal. In der Jugend, oder wenn man nie etwas Beängstigendes erlebt hat, da reitet man einfach los – und das ist ja auch schön so.
Ein Sturz muss gar nicht heftig sein, um Unsicherheit beim Reiten auszulösen. Häufig entsteht das unangenehme Gefühl tatsächlich nicht allein durch das Ereignis selbst, sondern durch das, was dabei in uns „anklingt“. Also eine Erinnerung an eine unangenehme Empfindung, aufgrund eines Ereignisses (groß oder klein), wie ich sie oben beschrieben habe. Zum Beispiel an eine Situation voller Zweifel, Unsicherheit, Schmerz oder belastendem Stress.
Ein Sturz vom Pferd wirkt also wie der Auslöser, aber in Wahrheit ist es oft so, dass er etwas an die Oberfläche bringt, das vorher zwar da war, aber nicht so deutlich spürbar.
Die eigentliche Angst kommt nicht vom Sturz – sondern von einer Erfahrung
Die Angst beim Reiten oder vor einem Sturz, die wir spüren, hat meistens tieferliegende Ursachen, die in unserer Lebensgeschichte liegen und deshalb in unseren Denkmustern und Glaubenssätzen Gestalt annehmen. Wenn man dort anfängt, etwas zu graben, zeigen sich oft Sorgen und Ängste, die mit dem Reiten gar nicht direkt zu tun haben.
Oft sind es Ängste und Überzeugungen wie:
- „Ich darf keine Fehler machen.“
- „Ich muss alles im Griff haben.“
- „Ich möchte niemanden enttäuschen oder mich blamieren.“
- „Ich habe keine Zeit, um auszufallen – ich muss funktionieren.“
Diese Gedankenmuster sind alltäglich und sehr menschlich – jeder hat so etwas im Kopf. Sie sind per se nicht unbedingt problematisch, wenn sie nicht zu überzogen sind – aber sie beeinflussen, wie man Situationen erlebt und bewertet. Und das kann dann der Auslöser dafür sein, dass das Reiten sich plötzlich so gefährlich und unsicher anfühlt.
Der Körper führt daraufhin die notwendige Schutzreaktion aus, um unser Überleben zu sichern: wir empfinden Angst. Ein Nebeneffekt von Angst ist auch, dass wir instinktiv das vermeiden möchten, was uns Angst macht. Also das Reiten (oder mit dem Pferd spazieren zu gehen, etc.). Doch ist das Reiten für viele Pferdeleute ein wichtiger, zentraler Teil des Lebens – und so entsteht ein hoher Leidensdruck aus diesem inneren Widerspruch.
Plötzlich Angst als Wiedereinsteiger: Wenn Reiten sich nach einer Pause fremd anfühlt
Als Wiedereinsteiger freuen wir uns, dass wir endlich nach all der Zeit wieder in den Sattel steigen. Wir erwarten dabei unser altes Körpergefühl…und sind plötzlich böse überrascht, wenn wir nach unserer Pause plötzlich ängstlich im Sattel sitzen. Denn was wir dann spüren, ist diese Diskrepanz: „Ich weiß ja eigentlich, wie es geht – aber es fühlt sich gerade völlig fremd an.“
Der Kopf erinnert sich an alte Fähigkeiten, aber der Körper ist aus der Übung. Die Muskulatur ist wahrscheinlich nicht mehr auf dem alten Stand, der Körper ist älter geworden – und viele von uns haben nicht das Pensum an Sport und Bewegung, das gut für uns wäre. Darum werden wir unbeweglicher und büßen Kraft, Koordination und Geschmeidigkeit ein. Aber auch hormonelle Veränderungen haben einen gewaltigen Einfluss auf unser Angstempfinden und können dafür sorgen, dass wir Angst nun viel stärker wahrnehmen oder uns insgesamt ängstlicher fühlen.
Die Bewegungsabläufe beim Reiten sind ungewohnt, wenn wir nach längerer Zeit wieder in den Sattel steigen. Insgesamt verändert sich die Selbstwahrnehmung. Bewegungen wirken intensiver, die eigene Balance fühlt sich weniger automatisiert an, und das erzeugt ein Gefühl von Vorsicht und Unsicherheit.
Dieser gefühlte körperliche Unterschied zu früher wirkt bereits verunsichernd. Und unser Körper meldet: Achtung, Gleichgewichtsverlust droht! Wir machen uns darum instinktiv fest. Das aber macht unseren Sitz instabil, weil wir so keiner Bewegung mehr geschmeidig folgen können. Daraufhin sendet unser Gehirn, dass es jetzt immer schlimmer wird – und wir fühlen uns plötzlich komplett unfähig und unsicher im Sattel.
Plötzlich Angst beim Reiten, wenn man älter wird – warum Reiten sich mit 40, 50 oder 60 anders anfühlt
Vielleicht spürst auch du es deutlich: Reiten fühlt sich mit Mitte 30 – oder mit 40, 50 oder 60 Jahren -sowohl körperlich, als auch mental anders an als mit zwanzig. Du gehst heute schon gedanklich ganz anders heran. Und das hat weniger mit Mut zu tun, als mit Lebenserfahrung.
Mit der Zeit verändert sich, wie wir Situationen einschätzen. Wir spüren unseren Körper differenzierter, haben vielleicht auch schon das eine oder andere Zipperlein, wo wir verletzungsanfälliger oder vorbelastet sind, und besonders drauf aufpassen müssen. Dazu kommen zwei weitere Faktoren: Wir erkennen aufgrund unserer Erfahrung Risiken früher, und wir haben aber auch oft mehr Verantwortung im Alltag.
Vielleicht haben wir auch schon an der einen oder anderen Stelle Bekanntschaft mit der eigenen Verletzlichkeit gemacht, wohingegen wir uns in der Jugend noch unverwundbar fühlten. Das alles lässt einen vorsichtiger werden, ohne dass man das Reiten weniger liebt. Es bedeutet, dass du heute bewusster bist. Und Bewusstsein fühlt sich anders an als Unbekümmertheit, manchmal auch etwas „schwerer“, weil dir plötzlich klar ist, was alles passieren kann und welche Folgen das haben könnte.
Wenn das frühere Selbstbild nicht mehr zu dem passt, was du im Sattel spürst
Unsicherheit im Sattel trifft viele Menschen vor allem dort, wo es richtig weh tut: im Selbstbild. „Ich war doch immer so eine sichere Reiterin.“ „Ich konnte das alles früher aus dem FF.“ „Ich war ein mutigerer Reiter als alle anderen.“
Dieses innere Bild begleitet viele seit Jahren – und wenn die eigene Reaktion plötzlich nicht mehr dazu passt, gerät das Selbstbild ins Wanken. Genau das verstärkt das unangenehme Gefühl zusätzlich.
Es schmerzt deshalb so sehr, weil du dich mit einem früheren Kapitel vergleichst, das unter völlig anderen Bedingungen entstanden ist. Doch jede Lebensphase hat ein eigenes Körpergefühl, eine eigene Geschwindigkeit, eine eigene Art der Wahrnehmung.
Verändertes Körperfeedback, andere Einschätzung von Risiken, größere Verantwortung und das ein oder andere Wehwehchen: All das hat Einfluss darauf, wie Reiten sich anfühlt. Diese Veränderungen bedeuten nicht, dass du „nicht mehr reiten kannst“. Sie bedeuten erstmal nur, dass du heute ein anderer Mensch bist als mit 18 oder 25.
Das zu akzeptieren ist notwendig – und es ist der Beginn von neuer Sicherheit im Sattel, die zum Heute passt.
Was du heute brauchst, um dich wieder sicher zu fühlen
Selbst wenn die äußeren Abläufe mit dem Pferd gleichgeblieben sind, fühlt sich der innere Prozess anders an. Das ist ein normales Ergebnis von Lebenserfahrung – aber nicht von abnehmender Fähigkeit als Reiter und Pferdemensch.
Jetzt gilt es, dazu passend einen Weg zu finden, wie du dich heute im Sattel wieder sicher fühlen kannst. Und dafür kannst du eine ganze Menge tun!
Du brauchst jetzt mehrere verschiedene Dinge:
1. Deinen Körper wieder auf Vordermann bringen
Auch wenn wir nicht real jünger werden, hat der körperliche Zustand einen immensen Einfluss darauf, wie sicher wir uns im Sattel fühlen und wie gut wir auch Verletzungen oder Stürze wegstecken können. Du brauchst unbedingt ein passendes Bewegungs- oder Sportprogramm, um deinen Körper wieder kräftiger und geschmeidiger zu machen und ein besseres Körpergefühl zu bekommen, also gezielten Sport abseits des Reitens, der deine Kraft, Koordination und Beweglichkeit „renoviert“.
2. Deinen Kopf auf Linie bringen
Es ist wichtig, deine Gedankenmuster zu hinterfragen, und zu schauen, was deine Angst dir sagen möchte. Oft stecken da noch unverarbeitete Erlebnisse und Empfindungen dahinter. Dich damit auseinanderzusetzen, kann innere Belastungen auflösen – was dich wieder freier reiten lässt.
Es hilft aber auch ganz enorm gegen Ängste und „Was-wenn“-Gedanken, wenn du verstehst, wie du tickst, und wenn du dein persönliches Sicherheitsnetz genau kennst. Damit kannst du dich möglichst bewusst absichern und vorbereiten – denn Reiten IST nicht ungefährlich (wir haben es als wilde Jungspunde nur nicht auf dem Schirm gehabt).
3. Selbstregulation erlernen
Selbstregulation ist DER Schlüssel, um beim Aufkommen von Angst nicht mehr handlungsunfähig auf dem Pferd zu hocken und in den Klammermodus zu verfallen. Du kannst lernen, auch bei Nervosität und Angst ruhig zu bleiben, und klar und besonnen zu handeln, statt in den Angst-Teufelskreis zu geraten. Und du kannst auf diese Weise erleben, dass du Situationen durchaus gut handhaben kannst – und dadurch Angst nachhaltig abbauen.
Wenn mehr Kontrolle alles noch schwerer macht
Viele Menschen – und vor allem Reiter – reagieren auf Unsicherheit, indem sie versuchen, alles noch fester im Griff zu behalten: den Körper, die Situation, das Pferd, sich selbst. Der Wunsch nach Kontrolle ist verständlich – aber er verstärkt häufig genau das Gefühl, von dem man weg will. Wenn du dich festhältst, nimmst du dir die Möglichkeit, Bewegungen fließen zu lassen. Wenn deine Gedanken ständig vorauseilen und dir erzählen, was alles passieren könnte, verlierst du das Gespür für das, was gerade wirklich wichtig ist. Kontrolle erzeugt Anspannung, und Anspannung macht dein Reitgefühl unruhig und spannig, statt geschmeidig und locker.
Sicherheit entsteht nicht durch Festhalten an Kontrolle, sondern durch Vertrauen in dich, deine Fähigkeiten, deinen Körper, deine Wahrnehmung – und das muss sich manchmal erst neu aufbauen.
Wenn du dich jetzt also plötzlich unsicher im Sattel fühlst, dann geht es darum, zu verstehen, was in dir passiert – und zu wissen, dass du neue Wege finden kannst, damit gut umzugehen. Du musst dich nicht an früher messen. Du darfst ein neues Kapitel beginnen.
Ja, du bist bewusster oder vorsichtiger geworden, aber das muss kein Problem sein. Schrittweise wieder Vertrauen aufzubauen, dich an neue Körperempfindungen zu gewöhnen und deinen ganz eigenen Rhythmus zu finden, ist ein Weg, den auch du gehen kannst. Und du musst ihn nicht allein gehen.
Wenn du verstehen möchtest, wie du deine Sicherheit zurückbekommst…
Wenn du herausfinden willst, wie du wieder innere Sicherheit beim Reiten entwickeln kannst, dann begleite ich dich gern ein Stück auf diesem Weg. Vielleicht tut es dir gut, gemeinsam zu sortieren, was dich gerade verunsichert, welche Gedanken dich ausbremsen und welche Schritte für dich wirklich stimmig wären. Dafür gibt es meine 1:1-Coaching-Begleitung für Angst beim Reiten (sehr gut online möglich), in der wir genau auf deine Situation schauen und einen Weg finden, deine Angst beim Reiten abzubauen, der zu deinem Tempo und deinem Alltag passt. Kontaktiere mich gern.
Vielleicht möchtest du das Thema aber auch lieber für dich allein angehen – ohne Termine, ohne Gespräche, sondern in deinem eigenen Rhythmus. Dann ist mein Online-Selbstcoaching „Deine Mutreise – raus aus der Angst beim Reiten und am Pferd“ eine gute Möglichkeit für dich. Sie führt dich strukturiert, klar und ruhig durch all das, was Angst beim Reiten aufrechterhält, und zeigt dir, wie du deine Angst abbauen und wieder mehr Vertrauen in dich entwickeln kannst.
Möchtest du gern wissen, wie stark dich deine Angst zur Zeit im Griff hat? Dann kannst du hier einen kurzen Test machen, der dir zeigt, wie stark deine Angst dich im Sattel ausbremst, und der dir auch bereits erste Hinweise gibt, wie du anfangen kannst, an deiner Angst zu arbeiten.
Möchtest du noch mehr über Angst beim Reiten lesen?
Dann findest du hier weitere Blogartikel zum Thema:
Meine Geschichte, wie ich als erfahrene Reiterin nach einer Reitpause plötzlich Angst beim Reiten bekam – und wie ich lernte, sie zu überwinden,
und warum der Versuch, mehr Kontrolle über das Pferd, dich oder die Situation zu erlangen, die „Was-Wenn“-Gedankenspirale der Angst im Kopf nur verschlimmert – und was wirklich hilft.







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