Warum du mit Bodenarbeit mehr erreichen kannst als mit Reiten

Bodenarbeit – das klingt so schlicht, oder? Tatsächlich ist sie jedoch DER Schlüssel zu einer harmonischen Beziehung und gelungenem Training mit deinem Pferd. Warum? Weil Bodenarbeit euch beide auf einer Ebene zusammenführt, die jenseits des Sattels liegt. Und weil du so viel mehr mit Bodenarbeit erreichen kannst, als wenn du ausschließlich reitest.

Das Thema, das auf den ersten Blick so unscheinbar wirken mag, ist tatsächlich eines der stärksten Tools, um eine tiefe Verbindung zwischen dir und deinem Pferd aufzubauen. Es ist die Grundlage für Vertrauen, gute Kommunikation und gegenseitiges Verständnis. Aber auch für das Gelingen von komplexen Übungen. Für den Aufbau von Geschicklichkeit und Kraft. Und für Gesundung nach Verletzungen, physisch und psychisch.

In diesem Artikel erfährst du, warum Bodenarbeit so nützlich ist, und wie sie dir und deinem Pferd helfen kann, gemeinsam zu wachsen und neue Ziele zu erreichen.

Bunte Vielfalt für jeden Geschmack, jede Anwendung und jede Schwierigkeitsstufe

Bodenarbeit hat unfassbar viele Disziplinen und Werkzeuge zu bieten, und ist in jeder Umgebung möglich. Es gibt Horsemanship und klassische Arbeit an der Hand. Zirkuslektionen, gesundes Longieren, einfache oder Doppellonge. Es gibt auch das Fahren vom Boden, Freiarbeit und Langzügelarbeit bis zur Hohen Schule für die ganz Fortgeschrittenen, wie es die Hofreitschule Bückeburg praktiziert. Du kannst Stangen, Gassen oder Trailhindernisse nutzen. Du kannst Spaziergänge und Wanderungen unternehmen oder Joggen mit dem Pferd.

Gelassenheit und Beziehung lassen sich trainieren, Hilfengebung, Achtsamkeit, Kommunikation. Mentale Blockaden bei Pferd und Reiter können beseitigt werden. Lücken in der Ausbildung des Pferdes, die sich beispielsweise beim Reiten zeigen, können geschlossen werden. Das Pferd kann lernen, auf deine Körperposition und Energie zu achten. So fein, dass du auch das mit in den Sattel nehmen kannst.

Für den Körper…

Du kannst dein Pferd muskulär auftrainieren, und ihm Kraft, Koordination und Geschmeidigkeit verleihen. Es komplett am Boden ausbilden und exzellent für den Sattel vorbereiten. Ihm korrektes Weichen mit der Vorhand und der Hinterhand erklären, seitwärts und rückwärts gehen in Balance und ohne Widerstand. Du kannst es lehren, sich gesund und balanciert zu tragen, während es auch seelisch balanciert in allen drei Gangarten auf geraden und gebogenen Linien geht.

Du kannst auch alte, verletzte und kranke Pferde nach Absprache mit Tierarzt und Physio im Saft halten oder gezielt zu ihrer Genesung beitragen. Pferde, die körperliche Mankos haben, können ohne Reitergewicht ihren gesunderhaltenden Ausgleichssport bekommen, geradegerichtet oder anderweitig gefördert werden.

Du kannst deinem trageerschöpften Pferd helfen, indem du seinen beschädigten Körper unbelastet vom Reitergewicht regenerieren lässt. Gezielt den Aufbau gesunder Muskulatur fördern, sodass es aus seiner Kompensationshaltung herausfindet und schöne, gesunde und tragfähige Muskulatur ausbilden kann. Auf diese Weise kann man auch Pferden helfen, die psychisch aus der Balance sind, denn Körper und Psyche beeinflussen sich stets gegenseitig.

…und für den Geist

Man kann auch einfach das Reittraining ergänzen, für Abwechslung, Spiel und Spaß im Alltag sorgen, und du kannst Kommunikation und Hilfenverständnis verfeinern. Du bekommst – wenn du viel richtig machst – ein durchlässiges, losgelassenes, stolzes Pferd, das mitdenkt, sich bemüht und Freude an der gemeinsamen Arbeit hat.

Du kannst ein Pferd bis zu höheren Lektionen ausbilden und ihm beibringen, dabei ruhig ein bisschen anzugeben, sich schön und stolz zu fühlen. Wer wirft sich nicht gern in Pose, so als Pferd? Sie profitieren davon und werden selbstbewusster und motivierter. Sie können es kaum erwarten, zur Arbeit abgeholt zu werden. Sie sagen: endlich bist du da, los komm, wir haben zu tun! Ich spreche da aus eigener Erfahrung mit meinen Pferden.

Beziehung klären, Probleme mit dem Pferd lösen

Es geht aber noch weiter damit, was Bodenarbeit kann: Alles, was in der Beziehung hapert, kannst du in Bodenarbeit bearbeiten und im besten Fall ganz auflösen. Man kann dazu verschiedene Themen aufgreifen. Sicherheit, persönlicher Raum (DIE Themen mit Pferden). Tempo, Energie, wer bewegt wen – wer treibt, wer führt, wer folgt. Wenn all das nicht geklärt ist, brauche ich gar nicht versuchen, in den Sattel zu steigen. Es wird Probleme geben, die ich aus dem Sattel heraus nicht lösen kann.

Führübungen, bei denen dein Pferd lernt, neben dir zu gehen, stehen zu bleiben oder rückwärts und seitwärts zu weichen, wirken simpel, haben aber einen großen Nutzen. Sie vermitteln deinem Pferd, dass du Entscheidungen triffst, die es sicher durch verschiedene Situationen führen. Egal, ob auf der Weide, im Stall oder bei Spaziergängen im Gelände. So baust du wachsendes Vertrauen auf.

Auf Augenhöhe, im wahrsten Sinne

Apropos, Vertrauen und Respekt eines Pferdes zu gewinnen, ist ein großes Privileg. Diese tiefe Verbindung, die wir alle uns insgeheim wünschen, entsteht durch Geduld und Konsequenz. Konsequenz im Sinne von „vorhersehbar sein“, in Situation x immer gleich reagieren, nicht heute so, und morgen so.

Am Boden befindest du dich auf Augenhöhe mit deinem Pferd. Es lernt dich als Partner kennen, der ihm Sicherheit bietet, statt es zu dominieren. Durch klare, konsistente Signale und ein ruhiges Auftreten baust du Vertrauen auf, das tief verankert bleibt. Respekt entsteht dabei nicht durch Zwang, sondern durch das Gefühl, dass dein Pferd sich in deiner Gegenwart wohlfühlt.

Feines Gespür entwickeln

Pferde kommunizieren über Körpersprache, Energie und kleine Gesten. Viele Konflikte zwischen Mensch und Pferd entstehen, weil diese Signale nicht verstanden oder übersehen werden. Bodenarbeit lehrt dich, die feinen Nuancen in der Körpersprache deines Pferdes wahrzunehmen und bewusst darauf zu reagieren.

Du entwickelst bei der Bodenarbeit auch ein feineres Gespür für Bedürfnisse und Emotionen deines Pferdes. Bodenarbeit ist von daher nicht nur Training für dein Pferd, sondern vor allem für dich. Es ist die Gelegenheit, an deiner Klarheit, Ruhe und Präsenz zu arbeiten. Diese machtvollen Fähigkeiten nimmst du in jede weitere Begegnung mit deinem Pferd mit. Am Boden kannst du deinem Pferd am besten zeigen, dass du ein verlässlicher Partner bist. Hier lernt es, dir zuzuhören und dir zu vertrauen, weil es spürt, dass du achtsam und fair bist. Denn ich kann es nicht genug betonen: Respekt entsteht nicht durch Dominanz, sondern durch klare, liebevolle Kommunikation.

Eine neue Sprache lernen

Bodenarbeit hat wie bereits erwähnt große körperliche Benefits: ohne Reitergewicht kann sich das Pferd erst einmal komplett selbstständig ausbalancieren, und es darf und soll gesunde, förderliche Bewegungsmuster lernen, indem sein Mensch es dabei unterstützt. Man kann auch an Dingen arbeiten, die im Sattel (noch) nicht gut klappen. Man kann dem Pferd ebenso sehr gut die Hilfen erklären, viel leichter als aus dem Sattel. All das funktioniert so gut, weil ich vom Boden aus das ganze Pferd sehen kann, und weil mein Pferd auch mich komplett sehen kann. Somit kann ich meinen ganzen Körper einsetzen, um dem Pferd auf die Sprünge zu helfen (daher auch Hilfe 😉) und es zu unterstützen, wenn mal etwas nicht klappt oder wenn es etwas nicht versteht.

Wie du bereits weißt, kommunizieren Pferde nonverbal – durch Körpersprache, Blicke, Raum und Position zueinander und über ihre Energie. Bodenarbeit ist darum wie eine neue Sprache zu lernen: Du beobachtest, wie dein Pferd auf dich reagiert, und lernst deine Hilfen und deinen Körper präziser einzusetzen.

Schwierigkeitsstufen der Kommunikation: einfach starten

Am Boden bin ich auf einer Ebene mit dem Pferd und flexibel in meiner Position zu ihm. Ich kann ihm Sicherheit vermitteln, ich kann mich auch zwischen es und eine Gefahr positionieren und ihm auf vielerlei Arten sagen, dass ich mich um sein wichtigstes Bedürfnis, Sicherheit, kümmere. Ich kann wie zuvor erwähnt mit meinem ganzen Körper mit ihm kommunizieren, und kann so zu einem wichtigen Sozialpartner, seinem Beschützer und Mentor, werden, und dadurch eine starke Beziehung mit meinem Pferd aufbauen.

Wenn ich im Sattel sitze, kann ich weder sein Gesicht, noch seine Hinterhand sehen. Das Einzige was ich sehen kann, ist die Schulter, der Mähnenkamm und die Ohren. Im Gegensatz zu dem, was gemeinhin angenommen wird, gibt es wesentlich interessantere und kommunikativere Bereiche als die Pferdeohren, nämlich vor allem Maul und Augen, und den Schweif.

Reiten setzt daher voraus, dass die Vokabeln zwischen mir und dem Pferd klar sind, und dass die Beziehung ebenso klar ist. Je klarer, je leichter wird es für mich und mein Pferd. Ich kann mir ein von Anfang an butterweiches Pferd machen, wenn ich am Boden gute Vorarbeit geleistet habe.

Feedback vom Pferd bekommen…

Vom Boden aus kann ich alle Bereiche des Pferdes sehen und bekomme ein direktes Feedback zu meiner Arbeit vom Pferd. Ich bitte es um etwas und es schlägt mit dem Schweif? Dann kann ich mich fragen, warum es das tut. Habe ich eine Aufgabe zu schwierig gestellt, braucht das Pferd gerade einen anderen Lernschritt, oder möchte es auf eine andere Weise gefragt werden? Oder ist es etwas gestresst, kommt aber zurecht damit? Oder stehe ich ihm im Weg und störe es bei der Erfüllung seiner Aufgabe? Ich kann aber auch genau sehen, wie meine Hilfengebung bei ihm ankommt, ob es seine Füße zum Beispiel im Seitengang korrekt setzt.

…und sinnvoll nutzen

Dieses präzise Feedback zu bekommen, ist unwahrscheinlich wertvoll. Sowohl für die Ausbildung des Pferdes, als auch für meine eigene Koordination. Und ebenso für die Beziehung zu meinem Pferd, weil ich klar analysieren kann, woher etwaige Fehler kommen. Ich kann sofort gegensteuern, statt etwas zu versuchen durchzusetzen, was gerade gar nicht klappen kann.

Wenn ich mir dieses Feedback vom Pferd geben lasse und es nutze, gewinne ich sehr viel wertvolle Information. Wenn ich in den Sattel steige, nehme ich die Benefits dorthin mit.

Im Sattel zu sein ist bereits deutlich schwieriger in Sachen Kommunikation, weil ich das meiste vom Pferd eben nicht mehr sehen kann und es mich ebenso nicht. Es fehlen mir einige sprachliche Möglichkeiten, auch wenn ich dafür andere hinzugewinne (meinen Sitz).

Das ist wie beim Fahrrad fahren – das enhändige Fahren sollte ich erst dann beginnen zu üben, wenn Radfahren mit zwei Händen schon gut klappt.

Bodenarbeit als schonender Start in die Reitausbildung

Manche Menschen erwarten, dass man sich einfach auf ein Pferd draufsetzen und losreiten kann, ohne ihm jemals vorher etwas genau erklärt zu haben. „Das wird es schon lernen im Lauf der Zeit“, lautet die Herangehensweise. Das Pferd kommt an die Longe, und ein Reiter oben drauf. Das kann man so machen, und es kann auch gut funktionieren, wenn der Ausbilder genau weiß was er tut. Ich bevorzuge dennoch die Vorbereitung mittels Bodenarbeit.

Es ist viel leichter für alle Beteiligten, wenn das Pferd bereits treibende, verhaltende und seitwärtsweisende Hilfen, Zügelhilfen und auch Schenkelhilfen, und vor allem auch die Stimmhilfen vom Boden aus kennt, und sie gehorsam und flüssig befolgt, ohne sich aufzuregen oder sich zu verspannen.

Für das Pferd ist es schonender, weil es sich nur mit einer einzigen Sache auseinandersetzen muss. Es kann die eine Hilfe erlernen, danach die nächste, dann wieder die nächste. Schließlich üben wir auch die Kombination. Und erst dann, wenn alles gefestigt ist, üben wir mit Reiter. Erneut gehe ich Schritt für Schritt vor und übertrage das, was das Pferd am Boden sicher kann, in den Sattel. Ich vermeide damit Abwehrverhalten und Überforderung.

Kommt erst nach der vorbereitenden Phase das Reitergewicht dazu, dann ist das Reiten von Anfang an viel leichter und einfacher, denn ich nehme alles, was ich vorher erarbeitet habe, in den Sattel mit.

Ein rittiges Pferd – mit Leichtigkeit im Sattel starten

Habe ich bereits durch die Bodenarbeit ein festes Fundament gebaut, dann kann ich mit dem gut vorbereiteten Pferd umso schneller Fortschritte im Sattel machen. Kleinschrittige Vorbereitung mag anfangs vielleicht länger dauern, zahlt sich aber später umso mehr aus.

Das Pferd bekommt die Zeit, die es individuell benötigt, um geistig und psychisch zu reifen. Auch deswegen kann es besser damit umgehen, wenn da ein Raubtier auf seinem Rücken Platz nehmen und Anforderungen stellen will. Das Raubtier ist dann für das Pferd bereits zum Freund geworden, ein Beschützer, ein Gruppenmitglied.

Auch die Anforderungen sind dem Pferd bekannt und machbar, es kennt den Rahmen und weiß, was von ihm verlangt wird – so ist alles kein Problem. Das Pferd kann von Anfang an gute Erfahrungen mit dem Menschen im Sattel machen.

Größtes Risiko: Stress beim Beginn des Reittrainings

Wird in diesem kritischen Moment, dem Anfang des Reittrainings, zu schnell vorgegangen, dann verbindet das Pferd zeitlebens Stress und Aufregung mit dem Gerittenwerden. Das wiederum hat negative Auswirkungen auf alles. Seine körperliche und mentale Gesundheit, was man an den Tierarztkosten bemerken kann. Es hat auch negative Folgen für sein Nervenkostüm in besonderen Situationen (Turnier, Gelände, Schreckmomente). Und auch für seine Rittigkeit, da es immer etwas bräsig, eilig oder fest sein wird, da es grundgestresst ist, sobald jemand auf seinem Rücken sitzt.

Bodenarbeit gibt dir die Möglichkeit, auch weiterführende neue Übungen in einem sicheren Umfeld einzuführen. Dein Pferd lernt alles ohne den zusätzlichen Faktor des Reiters. Dadurch wird der Übergang vom Boden in den Sattel fließend und stressfrei.

Entspannt am Boden – Druck beim Reiten?

Bodenarbeit bietet auch dir die Gelegenheit, von null zu starten und besonders achtsam mit deinem Pferd arbeiten zu können. Frei und ohne den Druck, der manchmal mit dem Reiten verbunden ist. Druck? Oh ja…

Mach dazu doch einmal ein kleines Experiment: Horche in dich hinein und beobachte deine innere Haltung in verschiedenen Situationen. Achte mal auf sie, wenn du einfach nur zwanglos mit deinem Pferd zusammen bist. Beim Spazierengehen oder beim Putzen beispielsweise. Und dann schau mal hin, ob sie sich beim Reiten verändert.

Hast du auch da genauso viel Spaß, bist genauso zwanglos, offen und entspannt? Oder erwartest du im Sattel nun mehr Leistung von dir und vom Pferd? Willst/musst jetzt etwas erreichen, um „richtig“ zu reiten und das Pferd „richtig“ zu trainieren?

Vielleicht geht es dir so wie mir einst: Du ertappst dich dabei, dass du am Boden eben noch ganz anders drauf warst. Du warst eben noch entspannt und voller Leichtigkeit und Humor. Doch sobald du auf dem Rücken deines Pferdes sitzt, schlägt die alte Reitschul-Programmierung á la Kasernenhof durch und du wirst verbissen. Fort ist der Spaß, es zählt nur noch Leistung und Perfektion. Wahrscheinlich ist in der Folge auch dein Pferd ganz anders. Vielleicht zeigt es dir sogar eine gelbe Karte, oder es entwickelt im Laufe der Zeit Probleme, die nur beim Reiten auftauchen.

Die Innere Haltung des Menschen

Wenn du dich hier wiedererkennst, kann Bodenarbeit dir helfen. Du kannst üben, eine positive innere Haltung bewusst zu entwickeln und zu kultivieren. Diese innere Haltung kannst du schließlich auch mit in den Sattel nehmen, um mehr Harmonie und Leichtigkeit auch beim Reiten zu erleben. Der Schlüssel dazu sind Neugier und Ergebnisoffenheit.

Das Pferd ist immer ein zu 100% ehrlicher Spiegel, und das Pferd hat immer Recht. Wenn es mir etwas zeigt, das ich nicht sehen möchte, dann darf ich es nicht bestrafen. Nein, dann muss ich an mir arbeiten. Pferde zeigen ganz genau unsere inneren Zustände. Sie reagieren auf Unsicherheiten, Anspannung oder Ungeduld und zeigen uns ehrlich, wie wir wirken.

Wenn du lernst, präsent, ruhig und klar in deiner Kommunikation zu sein, wird dein Pferd auch dies widerspiegeln. Du kannst Eigenschaften entwickeln wie Geduld, Achtsamkeit und Gelassenheit. Dies ist nicht nur im Umgang mit Pferden, sondern auch im Alltag außerhalb des Stalls enorm wertvoll.

Mehr Anregungen dazu findest du auch in der Mindset-Kategorie meines Blogs.

Bodenarbeit als Warm-Up vor dem Reiten

Ich persönlich halte Bodenarbeit als Warm-Up vor dem Reiten für unersetzbar. Wärme ich mein Pferd auf diese Weise auf, dann ist es bereits geschmeidig, locker und konzentriert. Diese wertvollen Minuten nutze ich auch dafür, um herauszufinden: Wie ist mein Pferd heute drauf? Was könnten heute Schwierigkeiten sein? Woran können wir arbeiten?

Mittels Bodenarbeit vor dem Reiten kann ich aus einem guckigen, etwas unausgeglichenen Pferd eines machen, das mir konzentriert zuhört. Ein Pferd, das gut mental mit mir verbunden ist, statt abgelenkt und ins Außen orientiert zu sein. Dann kann ich zu einem günstigeren Zeitpunkt aufsteigen und habe es beim Reiten etwas leichter. Ich vermeide Frust und Ärger für uns beide, und schaffe eine gute Basis fürs heutige Reittraining.

Unfälle und Misserfolge vermeiden

In äußerst seltenen Extremfällen lasse ich das Reiten bleiben, an Tagen, wo mein Pferd wirklich nicht gut drauf ist. Vielleicht herrscht gerade sehr viel Unruhe in der Gruppe und mein Pferd ist total durch den Wind ist. Vielleicht hat es Schlafmangel oder fühlt sich nicht fit. All das bemerke ich spätestens bei der Bodenarbeit. Ich bin der Meinung, dass ich auf diese Weise Unfälle vermeide und moralsenkende Misserfolge für uns beide abwende. Das sind diese mistigen Tage, wo einfach gar nichts klappt. Wo ich es im Vorhinein schon ahne, und trotzdem trainieren will, gegen mein Bauchgefühl. Ende vom Lied ist, dass die miese Stimmung bis mindestens zum nächsten Training anhält und erst wieder einige Zeit lang ausgebügelt werden muss.

Als Freizeitreiterin habe ich dieses Privileg, meine Pferde nicht reiten zu müssen, und kann daher dafür sorgen, dass das Reiten und das Training etwas Positives für uns beide bleibt.

Sicher gibt es auch Tage, wo nicht alles gelingt, und wo nicht alles perfekt läuft, auch unter guten Voraussetzungen. Das gehört einfach dazu. Ich möchte dennoch, dass so häufig wie möglich das Reiten ein positives Ende findet, welches mein Pferd und mich mit einem richtig guten Gefühl aufhören und mit hoher Motivation ins nächste Mal starten lässt.

Nervensystem trainieren, Mentale Blockaden auflösen

Das ist der nächste Punkt dessen, was ich in Bodenarbeit erreichen kann, ein sehr spannender Punkt. Ich kann das Nervensystem des Pferdes auf größere Stresstoleranz trainieren, ohne mich als Reiter in Gefahr zu begeben. Auch brauche ich das Pferd mit seiner Aufgabe nicht so stark zu fordern, wie wenn ich auf seinem Rücken sitze und es mich nicht sehen kann, und daher bereits einiges „alleinverantwortlich“ leisten muss.

Viele Pferde bekommen beispielsweise schnell Angst im Galopp. Sie werden dann schneller und schneller und regen sich furchtbar auf. Galopp als Gangart ist mit intensivem Spiel oder gar mit Flucht verknüpft, also großer Aufregung. Über das Nervensystem wird darum die Info „Alarm! Stress!“ als Feedbackreaktion aufs Galoppieren ans Pferdehirn gesendet.

Am Boden kann ich das Pferd sehr kleinschrittig, aber auch intensiv aufs Galoppieren vorbereiten. Ich trainiere dabei sein Nervensystem auf größere Toleranz, indem ich mit ihm immer wieder System hochfahren – System runterfahren und entspannen – hochfahren – runterfahren – übe. So lange, bis es irgendwann ganz gelassen auf Stimmhilfe angaloppieren kann, ohne Angst zu bekommen oder auch nur aufgeregt zu sein.

Auch andere Herausforderungen kann ich am Boden auf ähnliche Weise lösen.

Erfolgsfaktor: Spaß

Neben all den technischen und psychologischen Vorteilen kann Bodenarbeit vor allem eines bringen: Spaß! Sie ist eine wunderbare Möglichkeit, Abwechslung in den Alltag zu bringen. Bodenarbeit bietet viele Möglichkeiten, um zwanglos gemeinsam Zeit zu verbringen, die nicht durch Leistung oder Zielvorgaben definiert ist.

Kreative Übungen wie das Überwinden von Hindernisparcours, das Erlernen von Tricks oder das Erkunden neuer Umgebungen fördern nicht nur die Zusammenarbeit, sondern auch die Neugier und Motivation deines Pferdes.

Auch Pferde, die dem Menschen eher argwöhnisch gegenüberstehen oder die gelernt haben, dass ihre aktive Mitarbeit und ihr eigener Ausdruck nicht erwünscht ist, können mental rehabilitiert werden und zurückkehren zu einer positiveren Haltung dem Menschen und dem gemeinsamen Training gegenüber.

Bodenarbeit als Rückfallebene

In Situationen, wo es mal haarig wird, hilft nur eine solide Basis am Boden. Wenn ein Pferd gelernt hat, sich gut führen zu lassen, ruhig zu stehen und angebunden zu sein (also dem Halfter nachzugeben, statt sich in den Strick zu legen), dann hilft mir das in vielen Situationen im Alltag, auch, wenn es mal unangenehm wird.

Der Tierarzt ist da. Vielleicht kommt etwas Unangenehmes wie eine Untersuchung oder eine Spritze? Oder das Pferd hat bereits im Vorfeld Schmerzen und soll sich behandeln lassen? Besser, wenn ich eine gute Basis und eine gute Beziehung am Boden etabliert habe. Dann sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass mein Pferd versucht, durch mich hindurchzulaufen oder sich gegen eine Behandlung zu wehren, statt mir zu vertrauen.

Auf dem Ausritt kommt eine wirklich gruselige Situation? Gut, wenn die Basis am Boden stimmt, denn dann kann ich jetzt absteigen. Dann kann ich neben meinem Pferd stehend oder laufend diese Situation bewältigen. Das wird sein Vertrauen in mich weiter stärken, statt dass wir beide hilflos werden beim Anblick einer Herde Kühe oder eines LKWs.

Alles – im Alltag und im Training – wird leichter mit einer guten Basis und einer guten Beziehung zum Pferd.

Faszination, Motivation und Erfolg

So wunderbar und unvergleichlich es auch ist, zu reiten und sich vom Pferd durch die Welt tragen zu lassen, so übt doch die Bodenarbeit in all ihren Facetten eine Faszination auf mich aus, die umso größer wird, je mehr ich mich mit ihr beschäftige. Ihre Anwendung ist anfangs einigermaßen leicht zu lernen. Der Schwierigkeitsgrad kann aber auch bis hin zu „sehr anspruchsvoll“ gesteigert werden, je nachdem, was man genau anstrebt.

Ein schöner Nebeneffekt: Die Arbeit auf Augenhöhe mit dem Pferd schenkt regelmäßig und sehr schnell kleine und große Erfolge. Das stärkt das Selbstbewusstsein von Pferd und Mensch!

Durch die Ganzkörper-Kommunikation am Boden kann man mitunter in kurzer Zeit verblüffende Ergebnisse erzielen. Damit ist Bodenarbeit so dankbar, vielseitig und abwechslungsreich, dass ich absolut nicht darauf verzichten möchte.

Echte Verbindung

Bodenarbeit ist also viel mehr als nur „Training“. Sie ist der Moment, in dem echte Verbindung entsteht. Mit gegenseitigem Vertrauen, Respekt und Freude als Fundament. Ob du ein neues Pferd hast, oder alte Muster durchbrechen möchtest. Ob du etwas bestimmtes erreichen, dein Pferd aufs Reiten vorbereiten oder einfach die Bindung zu deinem Tier vertiefen willst: Bodenarbeit ist ein kraftvolles Werkzeug, um diese Ziele zu erreichen. Probier es aus, und erlebe, wie sie eure Beziehung transformiert!

Ich finde, Bodenarbeit ist DIE Arbeit mit dem Pferd, die wirklich von Bedeutung ist, egal, was unser Ziel ist. Auch wenn ich „nur“ reiten möchte, sollte ich Bodenarbeit als Vorstufe dazu eingebaut haben.

Nutzt du Bodenarbeit regelmäßig als Ergänzung zum Reiten? Oder reitest du ausschließlich?

Falls du noch nicht damit angefangen hast: Worauf wartest du noch? Ran an die Bodenarbeit!

Vielleicht im neuen Jahr mal neue Wege zusammen beschreiten?


Oder einfach umblättern:

Eine Antwort zu „Warum du mit Bodenarbeit mehr erreichen kannst als mit Reiten“

  1. Avatar von Gabriele
    Gabriele

    Danke für deine vielen lehrreichen Ausführungen in deinen Blogs in diesem Jahr. Sie sind richtig gut verständlich und spornen zur Nachahmung an.
    Ich bin immer sehr gespannt auf deine neuen Themen rund ums Pferd.
    Hab einen guten Start ins neue Jahr.


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